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„ZEIT ONLINE
Funktionsweise der Corona-Impfstoffe: So schützt die Impfung vor dem Coronavirus
Annick Ehmann, Florian Schumann, Claudia Wüstenhagen, Fabian Dinklage vor 4 Min.

mRNA, Vektor oder Protein-basiert: Jeder Corona-Impfstoff funktioniert etwas anders. Wir zeigen, wie die Impfungen dem Körper beibringen, das Virus zu bekämpfen.

Ein Piks in den Arm und wenige Wochen später ist der Körper vor dem Coronavirus geschützt. Was so einfach klingt, basiert auf vielen komplexen Vorgängen, vor allem im Immunsystem. Wie sie angestoßen werden, variiert von Impfstoff zu Impfstoff – ZEIT ONLINE zeigt, was dabei passiert.

Welche Impfstofftechnologien gibt es?
Manche Verfahren sind bereits länger erprobt, andere dagegen kommen bei Corona erstmals zum Einsatz. Hier erklären wir die Funktionsweise von Impfstoffen, die bereits in der EU eingesetzt werden oder für die ein Zulassungsantrag in Vorbereitung ist.

Auf einer bei Impfstoffen völlig neuen Technologie beruhen die mRNA-Impfstoffe, etwa von BioNTech/Pfizer und Moderna, die in der EU als Erste zugelassen wurden.

Das Prinzip der Vektor-Impfstoffe (unter anderem von AstraZeneca und Johnson & Johnson) wurde dagegen schon einmal bei einem Impfstoff gegen Ebola eingesetzt.

Noch länger bewährt ist das Prinzip Protein-basierter Impfstoffe, etwa gegen Grippe oder Hepatitis B. Bald könnte mit dem Mittel von Novavax auch ein solcher Impfstoff gegen Covid-19 in der EU zugelassen werden.

In Deutschland spielt mengenmäßig bisher der Impfstoff Comirnaty von BioNTech/Pfizer die größte Rolle.

Vaxzevria von AstraZeneca wird hierzulande derzeit nur für Menschen über 60 Jahre empfohlen, weil vorwiegend bei jüngeren Personen in Einzelfällen seltene Formen von Thrombosen in Verbindung mit Blutplättchenmangel aufgetreten waren.

Im Gegensatz zu den anderen Impfstoffen muss das Mittel von Johnson & Johnson nur einmal verabreicht werden. Wegen einzelner Fälle von seltenen Blutgerinnseln hat der Hersteller die Einführung seines Impfstoffs in Europa vorerst verschoben.

Die Europäische Arzneimittelbehörde Ema prüft derzeit die Impfstoffe von CureVac, Sputnik V vom Gamaleja-Institut sowie die Vakzine von Novavax in einem laufenden Review-Verfahren.

Worauf zielt die Impfung?
Alle diese Corona-Impfstoffe sollen das Immunsystem auf dasselbe Ziel hin trainieren: Der Körper soll lernen, die Stachelproteine zu erkennen, die auf der Oberfläche des Coronavirus sitzen. Sie werden auch Spikes oder Spikeproteine genannt. Das Virus nutzt sie, um in menschliche Zellen einzudringen und sich dort zu vermehren.

Die Stachelproteine sind Antigene, also Strukturen, die das Immunsystem als fremd erkennt und bekämpft. Bei einer Infektion mit dem Coronavirus geschieht genau das. Aber die Impfung verschafft dem Körper einen Vorsprung.

Die Immunzellen können sich bereits mit dem Antigen vertraut machen, ohne dass eine Gefahr durch das echte Virus besteht. So lernen sie, mit welchen Waffen sie dagegen ankommen. Der Körper legt gewissermaßen ein Arsenal an für den Fall einer künftigen Ansteckung.

Jeder Stachel besteht aus drei Untereinheiten. Wie diese aufgebaut sind, verrät das Coronavirus selbst.

An einer bestimmten Stelle in seinem Erbgut verbirgt sich der genaue Bauplan für die Stacheln. Forschende haben diese Stelle entschlüsselt.

Woraus besteht die Impfung?
Damit die Immunzellen die Stachelproteine kennenlernen können, müssen diese zunächst extra nachgebaut werden. Das gilt für alle drei der genannten Impfstofftypen. Bei mRNA- und Vektor-Impfstoffen übernimmt der Körper das sogar selbst.

Die mRNA-Impfung liefert die Stachelproteine nicht direkt, sondern nur eine Bauanleitung für sie, und zwar in Form von m(essenger)RNA oder auf Deutsch: Boten-Ribonukleinsäure. Damit kann der Körper die Stacheln später selbst herstellen – und sich so seinen eigenen Trainingsgegner erschaffen.

Für die Impfung wird die mRNA in eine Hülle aus winzigen Fettkugeln verpackt. So ist die empfindliche Fracht bei der Anlieferung geschützt und kann von den Zellen aufgenommen werden.

Auch der Vektor-Impfstoff liefert eine Bauanleitung für die Stachelproteine.

Allerdings nutzt er eine andere Art der Übergabe: Die Information wird in Form von DNA in ein Adenovirus eingebaut, ein harmloses Erkältungsvirus.

Weil diese Viren sich an menschliche Zellen binden, kann man sie gut als Transportmittel nutzen, um die DNA in die Zelle zu befördern. Das Adenovirus selbst ist so verändert, dass es sich nicht in menschlichen Zellen vermehren kann.

Einen direkteren Weg nehmen Protein-basierte Impfstoffe wie der von Novavax.

Das Mittel enthält nämlich bereits winzige Corona-Stachelproteine, die in den Arm gespritzt werden. Diese Stacheln werden zuvor in Mottenzellen gezüchtet, geerntet und zu Nanopartikeln gebündelt. In diesem Fall muss der Körper seinen Trainingsgegner also nicht erst selbst herstellen.

Neben diesen Partikeln enthält der Impfstoff einen Wirkverstärker, der aus dem Seifenrindenbaum gewonnen wird. Er lockt Immunzellen an die Injektionsstelle. Das sorgt dafür, dass der Körper stärker auf die Partikel reagiert.

Für alle Impfstofftypen gilt: Der Piks in den Arm dauert nur wenige Sekunden, doch die Impfung entfaltet ihre Wirkung über Tage und Wochen. Es dauert also etwas, bis der Schutz einsetzt.

Was sich während der Immunantwort auf Zellebene genau abspielt, ist sehr komplex und noch nicht bis ins letzte Detail aufgeklärt. Aber Forschende wissen ziemlich viel darüber, auch aus der Erfahrung mit anderen Impfstoffen. Hier geben wir den Prozess vereinfacht wieder.

Was passiert mit dem Impfstoff im Körper?
Der Impfstoff wird in den Armmuskel gespritzt. Dort verteilt er sich relativ schnell im Gewebe. Beim Protein-basierten Impfstoff werden die Impfstoffpartikel dort von Immunzellen aufgenommen (dazu später mehr). Das passiert auch bei den mRNA- und Vektor-Impfstoffen. Bei ihnen gibt es zusätzlich noch einen anderen Weg.

Treffen Partikel dieser beiden Impfstofftypen zum Beispiel auf Muskel- oder Bindegewebszellen, können die Zellen sie aufnehmen. So erhalten sie den Bauplan, um die Stachelproteine herzustellen.

Die Wege innerhalb der Zelle unterscheiden sich jedoch.

Trifft ein mRNA-Impfpartikel auf eine Körperzelle, verschmelzen die winzigen Fettkugeln des Impfstoffs mit der Zellmembran. Die mRNA gelangt dabei ins Zellplasma. Damit ist ein wichtiger Schritt geschafft: Der Stachel-Bauplan ist abgeliefert.

Auch Vektor-Impfstoffe zielen darauf ab, dass RNA ins Zellplasma gelangt. Allerdings ist hier ein kleiner Umweg nötig.

Denn der Vektor transportiert den Bauplan ja in Form von DNA, und die muss erst noch in RNA umgeschrieben werden, damit die Stachel-Produktion starten kann.

Trifft der Adenovirus-Vektor auf die Zelle, verpackt diese den Vektor in ein Bläschen und zieht es nach innen. In der Zelle angekommen, löst sich das Bläschen auf. Der Vektor dockt an den Zellkern an.

Dort wird die DNA, die den Bauplan für das Corona-Stachelprotein enthält, in RNA umgeschrieben.

Die RNA gelangt dann auch hier ins Zellplasma. Der Umweg ist geschafft, der Bauplan für den Stachel liegt vor.

Ist die RNA im Zellplasma angelangt, macht sich die Zelle an die Arbeit und stellt das Stachelprotein anhand des genetischen Bauplans her. Dieser Produktionsprozess läuft bei mRNA- und Vektor-Impfstoffen identisch ab.

Spezielle Moleküle im Zellplasma lesen die RNA aus. Es entsteht eine Kette von Aminosäuren, die dann zu Untereinheiten des Stachelproteins gefaltet werden.

Je drei Untereinheiten werden zu einem Stachel zusammengebaut.

Einige Stacheln werden wieder zerhäckselt. Diese Bruchstücke, aber auch komplette Stacheln werden dann zur Zellmembran geschafft.

Die geimpften Zellen zeigen die selbst gebauten Stacheln oder Bruchstücke davon auf ihrer Oberfläche, wie auf einem Präsentierteller. Dort können Immunzellen sie dann erkennen.

Einige Körperzellen zerfallen danach und setzen dabei ebenfalls Stacheln und Bruchstücke frei, sodass Immunzellen sie aufnehmen können.

Wie reagiert das Immunsystem?
Den Hauptteil der Immunantwort übernehmen spezialisierte Abwehrzellen, sogenannte antigenpräsentierende Zellen (APZ). Sie sind Wachposten und Alarmgeber für das Immunsystem. Nach der Impfung wandern sie aus anderen Orten im Körper zur Einstichstelle der Impfung im Arm.

Es gibt mehrere Arten, wie APZ die Immunreaktion starten können. So gehen Forscherinnen und Forscher davon aus, dass sie, genau wie Körperzellen, direkt Impfstoff aufnehmen.

Bei mRNA- und Vektor-Impfstoffen stellen die APZ also selbst Stachelproteine her, so wie es auch die Körperzellen tun.

Die produzierten Stachel werden dann zu Bruchstücken zerhäckselt. Diese präsentieren die APZ ebenfalls auf ihrer Oberfläche.

Das geschieht in den Lymphknoten, wo andere Immunzellen ständig auf der Suche nach genau solchen verdächtigen Bruchstücken sind. Darunter sind die sogenannten T-Killerzellen. Einige von ihnen können die Stachel-Bruchstücke erkennen und werden so aktiviert.

Greift später das echte Coronavirus an, können T-Killerzellen infizierte Körperzellen erkennen und zerstören.

Gerade haben wir gesehen, wie antigenpräsentierende Zellen selbst Stacheln herstellen. Sie können aber noch mehr.

Sie können auch im Gewebe umherschwimmende Stachelproteine oder Bruchstücke davon aufnehmen. Diese treiben zum Beispiel herum, wenn eine geimpfte Zelle zerfällt. Auch in diesem Fall präsentieren die APZ Fragmente des Stachelproteins auf ihrer Oberfläche.

T-Helferzellen erkennen die Bruchstücke und werden dadurch aktiviert. Sie sind so etwas wie die Steuerzellen des Immunsystems und mobilisieren andere Zellen, um das Virus zu bekämpfen.

Dazu gehören die B-Zellen. Sie sind es, die letztlich die Antikörper herstellen: die Waffen, mit denen der Körper das Virus bekämpft.

Auch die B-Zellen können Teile von Krankheitserregern erkennen. Dafür trägt jede B-Zelle auf ihrer Oberfläche einzigartige Rezeptoren.

Es gibt eine extreme Vielfalt dieser Rezeptoren. Manche passen zufällig genau zum Stachelprotein des Coronavirus. B-Zellen, die solche Rezeptoren haben, können umherschwimmende Stachelproteine erkennen und aufnehmen.

Dann verarbeiten sie die Stachel zu Bruchstücken und präsentieren diese Fragmente auf ihrer Oberfläche. Um vollständig aktiviert zu werden, brauchen die B-Zellen aber später noch Hilfe.

Einfacher ist die Sache bei den Protein-Impfstoffen. Hier müssen die Zellen das Stachelprotein nicht erst selbst herstellen. Es ist ja bereits in Form von Nanopartikeln im Impfstoff enthalten.

Antigenpräsentierende Zellen nehmen die Partikel auf und präsentieren Bruchstücke davon auf ihrer Oberfläche. Dadurch werden auch hier T-Helferzellen und vermutlich auch T-Killerzellen aktiviert.

B-Zellen können umherschwimmende Nano-Stachel erkennen und präsentieren Bruchstücke davon auf ihrer Oberfläche.

Damit sind die Voraussetzungen dafür erfüllt, dass der Körper sich vor dem Coronavirus schützen kann. Was nun passiert, ist wieder bei allen Impfstoffen gleich.

B-Zellen, die vorher Stachelprotein aufgenommen haben, präsentieren Bruchstücke davon nun in den Lymphknoten. Passende aktivierte T-Helferzellen docken an und stimulieren die B-Zellen.

Erst diese doppelte Stimulation führt dazu, dass die B-Zellen vollständig aktiviert werden.

Dadurch vermehren sich die B-Zellen und werden zu Plasmazellen, die sich ebenfalls vervielfältigen und große Mengen an Antikörpern ausschütten. Damit hat der Körper nun eine effektive Waffe gegen das Coronavirus.

Durch den komplizierten Erkennungsmechanismus und die doppelte Prüfung ist sichergestellt, dass nur diejenigen B-Zellen zu Plasmazellen werden, die dann auch wirklich passende Antikörper ausschütten.

Anfangs entstehen Antikörper, die noch nicht ganz perfekt zum Stachel des Virus passen, aber mit der Zeit werden sie immer besser – und somit auch der Schutz.

Was passiert, wenn das echte Virus angreift?
Nach einer Impfung dauert es knapp zwei Wochen, bis ein erster Schutz aufgebaut ist. Der volle Schutz besteht aber bei den meisten Impfstoffen erst nach der zweiten Dosis.

Kommen geimpfte Personen mit dem echten Coronavirus in Kontakt, schlägt das Immunsystem Alarm. Jetzt macht sich die Impfung bezahlt.

Die durch die Impfung gebildeten Antikörper erkennen Sars-CoV-2 an dessen Stachelprotein wieder und docken daran an.

Damit verhindern die Antikörper, dass das Virus in die Körperzellen eindringen kann: Es ist blockiert.

Einigen Viren gelingt es im Wettlauf mit dem Immunsystem trotzdem, Körperzellen zu kapern. Jetzt schlägt die Stunde der T-Killerzellen.

Sie erkennen infizierte Körperzellen an den Stachel-Bruchstücken, die diese auf ihrer Oberfläche präsentieren. Die Killerzellen stoßen schädliche Substanzen aus und zerstören somit die infizierten Zellen.

Dadurch kann sich das Coronavirus in diesen Zellen nicht weiter vermehren. Der Angriff gerät ins Stocken und das Immunsystem kann die Oberhand gewinnen.

Wie erinnert sich das Immunsystem?
Die nach der Impfung gebildeten Antikörper verschwinden irgendwann wieder aus dem Blut. Wie lange das bei Sars-CoV-2 dauert, ist noch nicht klar, mindestens aber einige Monate. Schwimmen mit der Zeit weniger Antikörper im Blut, heißt das aber nicht, dass man dann wieder ungeschützt ist.

Das liegt daran, dass nach der Impfung manche T- und B-Zellen zu Gedächtniszellen werden. Sie könnten jahrzehntelang im Körper zirkulieren, auch wenn die Antikörper längst verschwunden sind – eine Art wachsame Langzeit-Patrouille.

Bei Kontakt mit dem Virus erinnern sich die Gedächtniszellen an das Stachelprotein, das sie ja schon von der Impfung kennen. Sie vermehren sich und wandeln sich wieder in ihre aktive Form um.

Damit sorgen sie dafür, dass das Immunsystem schnell und effektiv reagieren kann. Im Idealfall merkt man erst gar nicht, dass man sich erneut angesteckt hat und kann das Virus auch nicht an andere weitergeben.

Mutationen im Erbgut des Coronavirus könnten künftig dazu führen, dass das Immunsystem den Erreger etwas weniger gut erkennt. Wissenschaftler und Forscherinnen sind aber zuversichtlich, dass die Impfung trotzdem einen schweren Verlauf oder Tod durch Covid-19 verhindert.

Außerdem arbeiten die Hersteller bereits daran, ihre Impfstoffe an neue Varianten anzupassen.

Für die fachliche Beratung danken wir Leif Erik Sander, Leiter der Forschungsgruppe Infektionsimmunologie und Impfstoffforschung an der Berliner Charité sowie Friedemann Weber, Leiter des Instituts für Virologie an der Universität Gießen.“

https://www.msn.com/de-de/nachrichten/coronavirus/funktionsweise-der-corona-impfstoffe-so-sch%C3%BCtzt-die-impfung-vor-dem-coronavirus/ar-BB1fQGoO?ocid=msedgntp