Damals im Iran,
DER Putsch…
England HAT ihre Rolle dabei zugegeben
„POLITIK
1953: Irans gestohlene Demokratie
Thomas Latschan
16.06.201716. Juni 2017
Vor fast 65 Jahren stürzte die CIA Irans parlamentarisch legitimierten Premier Mossadegh. Erst jetzt veröffentlichte das US-Außenministerium Dokumente, die das gesamte Ausmaß der US-Verwicklungen in den Putsch zeigen.
Irans ehemaliger Premierminister Mossadegh bei seiner GerichtsverhandlungBild: picture-alliance/Everett Collection
Für die USA ist der Iran „ein fundamentalistisches Regime, das nach der Atombombe strebt“ und zur „Achse des Bösen gehört“. Umgekehrt sitzt für Teheran in Washington der „gottlose, große Satan“ und die „Wurzel allen Übels“. Kaum ein Verhältnis zweier Staaten ist so belastet wie das zwischen dem Iran und den USA. Beide Seiten misstrauen einander zutiefst, fühlen sich vom jeweils anderen gekränkt oder gedemütigt. Die Gründe dieser Feindschaft reichen weiter zurück als zur Islamischen Revolution 1979. Schon 1953 griffen die USA zum ersten Mal massiv in die Politik des Iran ein – mit Folgen, die den Mittleren Osten bis heute prägen.
Lange Zeit hat Washington seine Beteiligung an den damaligen Ereignissen verschwiegen, obwohl schon kurz danach zahlreiche Presseberichte eine Verwicklung der CIA vermuteten. Erst jetzt, fast 65 Jahre später, veröffentlichte das US-Außenministerium einen von Historikern lang erwartetendetaillierten Bericht über die Beteiligung US-amerikanischer Geheimdienste am Putsch gegen Irans damaligen demokratisch gewählten Ministerpräsidenten Mohammed Mossadegh.
Kolonialattitüden und Kommunismusängste
Time Magazin Cover Mohammad MosaddeghTime Magazin Cover Mohammad Mosaddegh
Für das Time-Magazin war er der „Man of the Year“ 1951: Mohammed MossadeghBild: Time
Dabei war die Welt zwischen Washington und Teheran kurz nach dem Zweiten Weltkrieg noch in Ordnung. Das renommierte Time-Magazin hatte Irans Premierminister Mohammed Mossadegh sogar zum Mann des Jahres 1951 gewählt. Denn er hatte es gewagt, die britische Ölförderung im Iran zu verstaatlichen. Dafür zollten ihm auch hochrangige US-Politiker Respekt. „In den USA hatte man zu der Zeit große Sympathien für die antikolonialen Freiheitsbewegungen in der Dritten Welt“, sagt Jürgen Martschukat, Professor für Nordamerikanische Geschichte an der Universität Erfurt: „Mossadegh wurde sogar als eine Art ‚Benjamin Franklin Irans‘ gehandelt.“
Weniger begeistert waren die Briten. In deren Händen hatte die iranische Ölförderung seit Anfang des 20. Jahrhunderts gelegen. Die Anglo-Iranian Oil Company (AIOC) hatte dem Empire jedes Jahr gewaltige Gewinne beschert. „Jahrzehntelang wurde das iranische Öl von den Briten buchstäblich geraubt,“ erzählt der in Berlin lebende iranische Publizist Bahman Nirumand. „Der Iran bekam nur ein Handgeld für das Öl, das die Briten förderten.“ Vehement forderten Teheraner Politiker daher seit Ende der 1940er Jahre eine gerechtere Verteilung der Erlöse. Doch Großbritannien zeigte sich stur und beharrte auf der Erfüllung der lukrativen Verträge. Als Mohammed Mossadegh 1951 zum Premierminister gewählt wurde, eskalierte die Situation: In seiner ersten Amtshandlung löste Mossadegh am 30. April 1951 einseitig den Kontrakt mit der AIOC auf und verstaatlichte die Ölindustrie.
London reagierte empört, drohte mit einem Einmarsch und rief Washington zu Hilfe. Doch die US-Regierung unter Präsident Harry S. Truman winkte ab. Natürlich waren die Briten Verbündete. Doch Washington hatte kein Interesse an einer anhaltenden Schwächung Teherans. Zu groß war die Angst, den Iran in die Arme der kommunistischen UdSSR zu treiben. Zudem trugen aus Sicht Trumans die Briten durch ihre starre Haltung eine Mitschuld an der Eskalation.
Die CIA und der Sturz
Die Haltung der USA änderte sich, nachdem Dwight D. Eisenhower Ende 1952 Truman als US-Präsident ablöste. Zwei Jahre lang hatten Iraner und Briten ergebnislos verhandelt, die Positionen waren völlig festgefahren, die Stimmung geradezu feindselig. Großbritannien hatte ein vollständiges Ölembargo gegen den Iran verhängt. Die Wirtschaft des Landes lag am Boden. Radikale Kräfte wie die kommunistische Tudeh-Partei bekamen im Iran immer mehr Zulauf.
Im Gefolge Eisenhowers hatten in Washington antikommunistische Hardliner das Ruder übernommen: John Foster Dulles wurde Außenminister, sein Bruder Allen Leiter der CIA. Sie sahen die Entwicklung im Iran mit Sorge, bezeichneten Mossadegh gar als „Irren“, der das ölreiche Land mit seinem anhaltenden Konfrontationskurs in russische Hände treiben könnte. „Man kam zu dem Schluss, dass man die vertrackte Situation mit Mossadegh nicht würde lösen können“, so der Historiker Jürgen Martschukat. Eine Militärintervention im Iran lehnten die USA zwar weiterhin ab. „Die Eisenhower-Regierung war aber bereit, mit anderen Mitteln vorzugehen, als es noch die Truman-Regierung gewesen ist.“ Das war der Moment, in dem die CIA ins Spiel kam.
Im Sommer 1953 startete der US-Geheimdienst in Teheran die „Operation Ajax“: Die CIA bestach Politiker, Offiziere und Geistliche und wiegelte sie zur Opposition gegen Mossadegh auf. Gleichzeitig überredete sie den Schah Reza Pahlavi, Mossadegh per Dekret seines Amtes zu entheben. Am 19. August kam es zu einer Straßenschlacht zwischen Mossadegh-Anhängern und Putschisten vor dem Privathaus des Premierministers. „Man wunderte sich über die Menschen, die da gegen Mossadegh demonstrierten“, erzählt Bahman Nirumand, der den Putsch als Schüler in Teheran aus nächster Nähe miterlebte: „Da waren ganz schlimme Killerbanden darunter, und arme Menschen aus dem Süden der Stadt, die man mit Geld bestochen hatte.“ Als dann das Schah-treue Militär eingriff, wurde Mossadegh gestürzt und seine Regierungszeit fand ein jähes Ende.“