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Türkei: Lira fällt und fällt, Inflation steigt und steigt
Lutz Reiche – Vor 1 Std.

Die Inflationsrate in der Türkei steigt und steigt, zugleich wertet die türkische Lira weiter ab. 60 Prozent der Beschäftigten in der Türkei arbeiten im Niedriglohnsektor, verdienen nur einige Hundert Euro. Für sie wird die Inflation zum Überlebenskampf – und Präsident Erdoğan muss sie fürchten.

Türkei: Lira fällt und fällt, Inflation steigt und steigt
© Francisco Seco / dpa
Türkei: Lira fällt und fällt, Inflation steigt und steigt
Die Inflation in der Türkei schießt immer weiter in die Höhe. Im Juli verteuerten sich Waren und Dienstleistungen binnen Jahresfrist um 79,6 Prozent, wie das türkische Statistikamt am Mittwoch mitteilte. Volkswirte hatten sogar eine noch höhere Rate von 80,5 Prozent erwartet. Die Teuerung ist damit so stark wie seit September 1998 nicht mehr, als sie 80,4 Prozent erreicht hatte. Manche Ökonomen stellen selbst diese hohen Zahlen infrage und gehen von wesentlich höheren Inflationsraten aus.

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Hinter dem Inflationsschub steht unter anderem die anhaltende Abwertung der türkischen Lira, was die Importe verteuert. Dazu kommen steigende Öl- und Rohstoffpreise infolge des russischen Kriegs gegen die Ukraine. Die Lira hatte im vergangenen Jahr im Vergleich zum Dollar 44 Prozent an Wert eingebüßt. Die Talfahrt geht auch in diesem Jahr mit einem Kursrutsch von inzwischen rund 27 Prozent weiter.

Die Preise im türkischen Transportsektor, wozu auch Benzin gezählt wird, kletterten im Juli besonders kräftig um 119,11 Prozent. Lebensmittel und alkoholfreie Getränke verteuerten sich um 94,65 Prozent.

Trotz der inzwischen höchsten Inflationsrate seit 24 Jahren hält die türkische Notenbank den Leitzins bislang in diesem Jahr stabil bei 14 Prozent. Eine solche Geldpolitik widerspricht den ökonomischen Lehrbüchern. Gestützt wird sie vom türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan (68), der sich selbst als Zinsfeind bezeichnet. Erdogan hat sich zum Ziel gesetzt, die türkische Wirtschaft mit niedrigen Zinsen anzuschieben. Eine Änderung dieser unorthodoxen Geldpolitik ist derzeit nicht in Sicht. Im Gegenteil erwarten Ökonomen, dass die Inflation in der Türkei in diesem Jahr noch die Marke von 90 Prozent und mehr erreichen könnte.

Suppenküchen in Großstädten, Mindestlohn reicht nicht
Das heißt, die Menschen in der Türkei müssen wohl auch in Zukunft immer mehr Geld selbst für Dinge des täglichen Bedarfs ausgeben, die für viele zusehends unerschwinglich werden. In Großstädten wie Istanbul haben jetzt städtische Suppenküchen eröffnet – ein willkommener Ort mittlerweile auch für Angehörige der Mittelschicht.

Besonders hart trifft die Inflation die Niedrigverdiener – rund 60 Prozent der Beschäftigten arbeiten im Niedriglohnsektor. Dass die Regierung den Mindestlohn zuletzt auf 5500 Lira im Monat angehoben hat, hilft ihnen nicht wirklich. Denn umgerechnet 310 Euro im Monat reichen oft nicht für einmal für das Nötigste, jedenfalls nicht in einer Großstadt.

Hier liegt nach Einschätzung von Türkei-Kennern auch die große Gefahr für Präsident Erdoğan, der bei Wahlen im kommenden Jahr um seine Macht fürchten muss. So formiert sich Protest: an den Universitäten, auf den Straßen. Initiativen wie „Wir können nicht überleben“ machen sich zum Sprachrohr für andere, informieren, organisieren Demonstrationen und versuchen zu erklären, was hinter den Preiserhöhungen steckt.“

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