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„Der Mavi-Vatan-Plan: Erfüllung neo-osmanischer Träume und Sicherung geopolitischer Macht
Die Spannungen zwischen Ankara und Athen haben deutlich an Schärfe zugenommen. In Syrien und Libyen hat die Türkei Fakten geschaffen, mit Auswirkungen auf die EU. Selbst mit den USA und Russland legte sich Präsident Erdoğan an. Und in der Ägäis wogt das „Blaue Heimatland“.
Als sich die Türkei noch relativ fest im westlichen Korsett der US-geführten NATO bewegte und auch die Hoffnung hegte, in die Familie der Europäischen Union aufgenommen zu werden, wusste man, wie man mit Ankara umzugehen hat. Daran änderte auch die Besatzung und Teilung Zyperns nichts, genauso wenig wie die zahlreichen Militärputsche.
Das alles hat sich mittlerweile grundlegend geändert. Unter der Führung von Recep Tayyip Erdoğan hat die Türkei dieses Korsett abgelegt und sich auch von der Idee verabschiedet, jemals von den westlichen Europäern als gleichberechtigter Partner in der EU angesehen zu werden. Gleichzeitig schüttelte das Land aber auch das Erbe von Mustafa Kemal Atatürk ab, verwässerte den strengen Laizismus bis zur Unkenntlichkeit und liebäugelt mit Vorstellungen, gegen die der „Vater der Türken“ angekämpft hatte.
Während Atatürk die Türkei vor außenpolitischen Abenteuern bewahren wollte, sind heute türkische Truppen in Syrien und Libyen aktiv. Jenseits handfester wirtschaftlicher und strategischer Gründe spielen dabei offensichtlich auch historische Gründe und neo-osmanische Träume eine Rolle, wie Prof. Dr. Mesut Hakkı Caşın, sicherheitspolitischer Berater von Präsident Erdoğan erklärte.
Es geht um die Dominanz im östlichen Mittelmeerraum und die Ausbeutung von Energieressourcen wie Öl und Gas. Dafür wurde bereits 2006 der Mavi-Vatan-Plan ausgearbeitet, der übersetzt „Blaues Heimatland“ bedeutet. Damit wird schon angedeutet, worauf der Plan abzielt.
Das Konzept der Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) gibt den Küstenstaaten das Recht, diese bestimmten Zonen exklusiv für eigene wirtschaftliche Zwecke zu nutzen, ohne dass dieses Gebiet aber zum eigentlichen Staatsgebiet gehört. Streitigkeiten gibt es nun über die Frage, ob bewohnte Inseln über einen Festlandsockel verfügen, was nämlich die AWZ eines Landes erheblich erweitern können. Mit dem Seerechtsübereinkommen von 1982, das von den meisten Staaten anerkannt und dann auch ratifiziert wurde, war dieses Problem angegangen und entsprechend ernstgenommen worden. Nur wenige Länder wollten diese Übereinkunft nicht unterzeichnen, darunter insbesondere die Türkei und auch die Vereinigten Staaten von Amerika.
Ein Blick auf die Aufteilung der AWZ im östlichen Mittelmeer zeigt, wie klein der türkische „Anteil“ insbesondere im Vergleich zu Griechenland ist und dass Griechenland durch die Regelung mit den Festlandsockeln von bewohnten Inseln besonders profitiert.
Dazu kommt, dass in den Gewässern vor Zypern auch noch enorme Gasvorkommen entdeckt wurden, die zum Teil auch von der Türkei oder der international nicht anerkannten Türkischen Republik Nordzypern beansprucht werden. Um diese – aus türkischer Sicht von Griechenland aufgezwungene – „Belagerung“ zu durchbrechen, landete Ankara im November 2019 einen Coup mit der international anerkannten Regierung von Fayiz as-Sarradsch in Libyen. Mit dem von Sarradsch und Präsident Recep Tayyip Erdoğan unterzeichneten Abkommen wurde eine „Begrenzung der Einflussbereiche auf See“ vereinbart, die noch durch eine militärische Komponente ergänzt wurde.
Mit anderen Worten: Es gelang der Türkei, das östliche Mittelmeer und die Aufteilung der Ausschließlichen Wirtschafszonen von Ost nach West zu durchbrechen und die „Fehler der Vergangenheit“ zu korrigieren, wie es der Urheber des Mavi-Vatan-Plans, Admiral a.D. Cem Gürdeniz, erklärte. Man habe sich bei den Grenzziehungen zu sehr vom Westen einengen lassen, was seinerzeit aber kaum eine Rolle gespielt habe, weil man sich nicht vorstellen konnte, dass es eines Tages zu Öl- oder Gasförderungen vom Meeresgrund kommen werde. Deshalb müsse die Regierung diese Grenzen wieder für sich beanspruchen, indem durch Bohrungen wie beispielsweise „45 Meilen westlich von Paphos“ die türkische Flagge gehisst wird, „und niemand die Türkei von hier vertreiben darf“. Das Außenministerium habe diesbezüglich am 18. März 2019 gegenüber den Vereinten Nationen die neue Grenzziehung auf See „erklärt“, so der
ehemalige Admiral weiter.
Er findet es richtig, wie die türkische Regierung seit dem versuchten Putsch im Juli 2016 vorgeht. Man habe einen Prozess umgekehrt, der die Türkei von vielen Seiten aus unter Druck gesetzt hatte. Der Versuch, einen zusammenhängenden kurdischen Staat in Syrien zu installieren, war nur ein Beispiel dafür, dem man aber mit der „Operation Friedensquelle“ im Oktober 2019 ein Ende bereitete.
Das wichtigste Merkmal des Abkommens mit Libyen sei es, dass es „zwischen Griechenland und Ägypten“ und zwischen „Griechenland und der griechisch-zypriotischen Regierung“ einen Keil getrieben hat. Damit habe man „eine Position in diesem Prozess geschaffen, die die Thesen der Türkei stärken wird.“
Abgesehen von geostrategischen und politischen Erwägungen spielen auch handfeste wirtschaftliche Interessen eine große Rolle bei diesem Konflikt im östlichen Mittelmeer und in Libyen. Mit dem Abkommen sicherte sich Ankara auch das Recht, in der libyschen AWZ nach Öl zu bohren. Bei den militärischen Operationen gegen den Widersacher von Sarradsch, General Chalifa Haftar, geht es am Ende auch um die Beteiligung türkischer Unternehmen am Wiederaufbau des Landes und um die künftige Vermarktung des libyschen Öls.
Die Frage wird sein, wie sich Griechenland zu der Verschiebung der Grenzen verhalten wird, da es am stärksten von dieser türkischen Politik betroffen ist. Der griechische Verteidigungsminister Nikos Panagiotopoulos sagte Anfang Juni vor dem Parlament in Athen, dass man angesichts des „türkischen aggressiven Verhaltens“ nicht zögern werde „Zähne zu zeigen“.
Daraufhin erwiderte sein türkischer Amtskollege Hulusi Akar, dass es sich wohl um einen „Versprecher“ von Panagiotopoulos gehandelt haben muss. Denn es sei „eine mathematische Gewissheit, dass (die) Griechen keinen Krieg gegen die Türkei beginnen wollen“, sagte Akar dem TV-Sender A Haber. Stattdessen solle Athen an den Verhandlungstisch zurückkehren, um die Probleme auf diplomatischem Weg anzusprechen und zu lösen.
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Gaddafis letzte Warnung
In der Libyen-Berichterstattung wird häufig unterschlagen, wie es überhaupt zum Bürgerkrieg kommen konnte, welche Rolle der Westen dabei spielte und wie das mit den Zuständen in der Sahelzone zusammenhängt, die buchstäblich in Flammen steht.
von Arkadi Shtaev
„Teneo te, Africa“ („Ich halte dich fest, Afrika“) soll Julius Cäsar gesagt haben, als er erstmals seinen Fuß auf heute libyschen Boden setzte. Das war Ausdruck des Machtanspruches der damaligen westlichen Supermacht, des Römischen Reiches. Für den heutigen Westen – vor allem aber für Europa – scheint dieser Ausspruch keine Gültigkeit mehr zu haben. Im Gegenteil, „Ich halte dich von mir fern, Afrika“, scheint dort das Motto unserer Tage zu sein. Dabei grenzt der Kontinent Afrika ja fast direkt an die EU, ist also unmittelbarer Bestandteil unseres geopolitischen Schicksals.
Daran ändert auch die sogenannte Libyen-Konferenz nichts, die kürzlich in Berlin abgehalten wurde und deren Verhandlungsergebnisse kaum umzusetzen sein dürften. In der Medienberichterstattung zur Konferenz wurde zumeist außen vor gelassen, wie es zu dem Bürgerkrieg in dem nordafrikanischen Land kommen konnte und welch verhängnisvolle Rolle der Westen dabei spielte.
Vor den Folgen der westlichen Politik hatte der libysche Machthaber Muammar al-Gaddafi in einem Interview mit dem französischen Journal du Dimanche noch im Februar 2011 gewarnt – einen Monat bevor NATO-Staaten eine militärische Intervention zu seinem Sturz in Gang setzten, die das Land in Chaos und Bürgerkrieg versinken ließ.
Ihr sollt mich recht verstehen. Wenn ihr mich bedrängt und destabilisieren wollt, werdet ihr Verwirrung stiften, [Al-Qaida-Chef Osama] Bin Laden in die Hände spielen und bewaffnete Rebellenhaufen begünstigen. Folgendes wird sich ereignen: Ihr werdet von einer Immigrationswelle aus Afrika überschwemmt werden, die von Libyen aus nach Europa überschwappt. Es wird niemand mehr da sein, um sie aufzuhalten.
Als er diese Worte tätigte, konnte Gaddafi noch nicht ahnen, dass Osama bin Laden am 2. Mai 2011 von einer US-amerikanischen Sondereinheit auf pakistanischem Boden erschossen werden würde. Noch weniger war er sich wohl bewusst, dass er selbst im Oktober des gleichen Jahres als Flüchtling im eigenen Land ein grausames Ende finden würde.
Gaddafi wurde im Westen überschätzt
Das Zitat aus dem Interview soll nicht etwa dazu dienen, diesen Gewaltherrscher nachträglich rundweg zu legitimieren oder ihm gar einen Heiligenschein aufzusetzen, nur weil sich seine Vorhersagen als wahr erwiesen haben. Im Gegenteil: Gaddafi ist im Westen schon immer weit überschätzt worden. Er war nie ein großer arabischer Volksheld, als der er gern gegolten hätte. Ein paar einfältige Sensationsreporter konnte er mit seinen theatralischen Beduinenauftritten beeindrucken.
In den übrigen Staaten der arabisch-islamischen Welt wurde dieser unberechenbare Paranoiker als “ mahbûl“, als Verrückter, bezeichnet. Gaddafi mag für seine Untertanen ein weniger blutrünstig veranlagter Despot gewesen sein, als es Saddam Hussein im Irak war. Aber harmlos war dieser Autokrat nicht. Im Gegensatz zu Saddam Hussein, der die eigene Bevölkerung drangsalierte und zahllose Morde im Inland befahl, sich aber kaum als internationaler Terrorist betätigt hatte, unterstützte Gaddafi hingegen Verschwörer, Attentäter, Aufständische und Bombenleger weltweit – von Nordirland bis zu den südlichen Philippinen.
Libyen avancierte endgültig zum Schurkenstaat, als im Dezember 1988 über dem schottischen Städtchen Lockerbie eine Pan Am-Maschine explodierte, wobei 270 Menschen den Tod fanden. Ein Jahr später ereilte eine französische Linienmaschine über dem Niger das gleiche Schicksal. In beiden Fällen richtete sich der Verdacht gegen den libyschen Geheimdienst als Urheber der Anschläge. Durch die Zahlung von hohen Entschädigungssummen hatte sich Gaddafi damals noch freikaufen können.
Vom „bad guy“ zum „good guy“ des Westens im „Krieg gegen den Terror“
Die vom Westen damals verhängten Sanktionen konnten dem Führer der Volks-Dschamahirija, wie er das von ihm gegründete Staatswesens Libyens zu nennen pflegte, aufgrund des vorhandenen Ölreichtums nicht gefährlich werden. Gefährlich wurde es für Gaddafi allerdings, als der damalige US-Präsident George W. Bush seinen „Krieg gegen den Terror“ startete. Gaddafi wusste, was ihm blühte, wenn er sich den neuen Weisungen Washingtons nicht unterordnen würde.
Geschickt passte er sich an, gestatte den Amerikanern verdächtige Produktionsstätten zu durchsuchen, um den Vorwurf zu entkräften, Libyen würde heimlich Massenvernichtungswaffen produzieren. Als er sich dann noch gegenüber dem Westen auf dem Gebiet der Erdölförderung äußerst entgegenkommend, gar unterwürfig zeigte, wurde aus dem „bad guy“ über Nacht ein „good guy“ – obwohl Gaddafi auf die Einführung von Demokratie und Menschenrechte verzichtete.
Dieser plötzliche Schmusekurs des Westens entlarvte nicht zum ersten Mal die heuchlerische Menschenrechtsdiplomatie, welche nur dann die Einhaltung dieser zweifelsohne edlen Prinzipien einfordert, wenn sich die betreffende Regierung den ökonomischen Interessen des Westens widersetzt. Zwischen Washington und Tripolis wurden die diplomatischen Beziehungen wieder etabliert und die Ölkonzerne aus den USA nahmen ihre Tätigkeit auf. Statt über diese Vorgänge den Mantel des Schweigens zu hüllen, entblödete sich die damalige US-Außenministerin Condoleezza Rice nicht zu erklären:
Libyen ist ein wichtiges Vorbild in einer Welt, die von den Regierungen Irans und Nordkoreas eine gründliche Umkehr erwartet.
Die Europäer, in Ermangelung eigener geopolitischer Zielsetzungen, folgten den diplomatischen Vorstößen der USA. Der britische Premierminister Tony Blair lobte Gaddafi als „soliden Partner des Westens“. Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy bereitete Gaddafi in Paris einen triumphalen Empfang, was ihn einige Jahre später nicht davon abhalten sollte, bei der Ermordung seines damaligen Gastes, aufgrund der Einflüsterungen des Philosophen Bernard-Henri Lévy, aktiv behilflich zu sein.
Gaddafis Panafrikanismus machte Libyen zum Traumziel für die darbenden Massen der Sahelzone
Bei all diesen Rahmenbedingungen darf aber nicht unerwähnt bleiben, dass es Gaddafi während seiner über 40-jährigen Herrschaft gelang, das traditionell – in Tripolitanien und die Kyrenaika – gespaltene Libyen zusammenzuhalten sowie den Lebensstandard und das Bildungsniveau seiner Bevölkerung dramatisch zu erhöhen. Gegen die radikalen Strömungen, die man heute als Salafismus bezeichnet und die überwiegend von Saudi-Arabien aus weltweit Verbreitung finden, holte er schon in den 1980er Jahren zu vernichtenden Schlägen aus, während der Westen engste Beziehungen mit Riad pflegte und pflegt.
Im Laufe der Jahre nahm Gaddafi eine geopolitische Neuorientierung vor, und der von ihm in früheren Zeiten gepredigte Panarabismus wich einem ebenso utopisch anmutenden Panafrikanismus. Libyen wurde zu einem Traumziel für die darbenden Massen der Sahelzone sowie zu einem der größten Einwanderungsländer der Welt, gemessen an seiner Bevölkerungszahl. Nach dem Sturz Gaddafis haben in Tripolis nicht Demokratie und Marktwirtschaft Einzug gehalten. Vielmehr hat sich dieses ehemals reichste Land der Region zu einem gescheiterten Staat entwickelt, in dem ein Bürgerkrieg tobt und der entlang seiner uralten Bruch- und Trennlinien zerborsten ist.
Der Sturz Gaddafis hat auch die Konflikte in der Subsahara angeheizt. Während Europas Freiheit angeblich am weit entfernten Hindukusch verteidigt wird, wie es ein deutscher Politiker einmal auszudrücken pflegte, ist in unmittelbarer Nähe unseres Kontinents, an den Ufern des Mittelmeeres ein massiver Krisenherd entstanden, der das Leben der Flüchtlinge gefährdet, die Zukunft Nordafrikas verspielt und Europas Sicherheit in Frage stellt.
Und was macht Bernard-Henri Lévy, der einst seinen Präsidenten zum militärischen Einsatz in Libyen erfolgreich aufforderte? In Libyen wurde er schon lange nicht mehr gesehen. Dafür beglückte er vor einiger Zeit noch die Ukraine mit seinen weltumspannenden Erlösungsideologien.
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Afrika
„Demonstration des Hirntodes der NATO“: Macron zum „gefährlichen Spiel“ der Türkei in Libyen
Der Libyen-Konflikt entzweit weiter die NATO. Mit scharfen Worten verurteilt Frankreichs Präsident Macron das Verhalten der Türkei in dem Konflikt. Indes droht Ägypten mit einer Intervention im libyschen Nachbarland. Ankara zeigt sich unbeeindruckt.
Er spricht von einem „gefährlichen Spiel“ und sieht sich darin bestätigt, der NATO im vergangenen Jahr einen „Hirntod“ attestiert zu haben: Frankreichs Präsident Emmanuel Macron prangert die türkische Haltung im Libyen-Konflikt an.
Insbesondere ein Vorfall vor zwei Wochen sorgt für Ärger in der transatlantischen Militärallianz. Türkische Fregatten hatten am 10. Juni den Frachter Cirkin vor der libyschen Küste begleitet, der offiziell medizinische Güter nach Tunesien bringen sollte. Nachdem zunächst griechische Soldaten im Rahmen der EU-Marinemission Irini erfolglos versucht hatten, aufgrund eines begründeten Verdachts auf Waffenlieferungen den Frachter zu inspizieren, nahm die französische Tarnkappenfregatte Courbet Kurs auf die Cirkin.
Sobald sich die französische Fregatte jedoch dem Frachter näherte und Kontakt aufnahm, erfasste sie die türkische Fregatte TCG Gökova mit der Radarmarkierung mehrmals als Ziel. Angesichts des „extrem aggressiven“ Manövers der türkischen Marine sprach Paris anschließend von einem „türkischen Problem“ innerhalb der NATO.
Der Vorfall sei laut Macron „eine der schönsten Demonstrationen“ seiner Bemerkung über den „Hirntod der NATO“, die er im vergangenen Jahr gemacht hatte, nachdem die Türkei Truppen nach Syrien entsandt hatte, ohne ihre Verbündeten zu konsultieren. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan erklärte daraufhin, sein französischer Amtskollege befinde sich selbst „in einem Zustand des Hirntodes“.
„Die Türkei spielt in Libyen ein gefährliches Spiel und verstößt gegen alle Verpflichtungen, die sie auf der Berliner Konferenz eingegangen ist“, sagte Macron am Montag und bezog sich dabei auf das Treffen in der deutschen Hauptstadt im Januar, bei dem man sich auf eine Waffenruhe und die Durchsetzung eines Waffenembargos einigte.
Mehr zum Thema – Schlüsselloch nicht gefunden – Die Hoffnungen der Libyen-Konferenz haben sich nicht erfüllt
Er habe bereits Gelegenheit gehabt, das auch Erdoğan „sehr deutlich“ zu sagen, so der französische Staatschef. „Wir werden die Rolle, die die Türkei heute in Libyen spielt, nicht tolerieren“, kündigte Macron an und forderte „ein Ende der ausländischen Einmischung und der einseitigen Handlungen derjenigen“, die den Krieg in Libyen beförderten und dadurch die eigene Position zu stärken versuchten.
Ankara sieht sich im Recht – Kairo droht mit Intervention
Die Äußerungen des französischen Präsidenten erfolgten nach einem Treffen mit dem tunesischen Präsidenten Kais Saied in Paris, bei dem es vermutlich unter anderem um die aktuelle Lage in Libyen ging. Ankara unterstützt dort die international anerkannte Regierung von Ministerpräsident Fajis al-Sarradsch, während Frankreich als Unterstützer seines Gegners Chalifa Haftar gilt, dessen Libysch-Nationale Armee (LNA) den Osten des Landes kontrolliert.
„In Libyen unterstützen wir die legitime Regierung, und die französische Regierung unterstützt einen illegitimen Kriegsherrn und gefährdet die Sicherheit der NATO, die Sicherheit im Mittelmeerraum, die Sicherheit Nordafrikas und die politische Stabilität Libyens“, sagte am Montag der Sprecher des türkischen Präsidenten, Ibrahim Kalin.
Macron sieht das völlig anders. Das Engagement der Türkei in Libyen und ein Abkommen über Seegrenzen zwischen Ankara und der Regierung von Tripolis seien „weder mit dem Völkerrecht vereinbar, noch mit dem, was wir von einem NATO-Mitglied erwarten dürfen“. Das Verhalten sei nicht mit den Zielen der Europäer und Libyens Nachbarländern im Mittelmeerraum vereinbar, so Macron.
Mehr zum Thema – Libyen-Konflikt mit der Türkei: Zypern ist der Schlüssel
Frankreich ist nicht das einzige Land, das wegen des türkischen Vorgehens in Libyen Alarm schlägt. Der ägyptische Präsident Abdel Fattah al-Sisi sagte am Samstag, dass die Sicherheit seines Landes mit der Libyens verbunden sei. Ägypten sei berechtigt, in Libyen einzugreifen, um seine Westgrenze zu schützen. Al-Sisi deutete an, dass Kairo im Nachbarland direkt zur Unterstützung der LNA intervenieren könnte – mit der Rückendeckung Saudi-Arabiens und der Vereinigten Arabischen Emirate.
Ägypten habe ein „berechtigtes Anliegen“, kommentierte daraufhin Macron. Anfang Juni schloss sich Frankreich einer von Ägypten geführten Allianz an, die sich gegen die Türkei und Ankaras Politik in der Ägäis und Libyen richtet. Auch Griechenland schloss sich dem Bündnis ab, dem ebenfalls Zypern und die Vereinigten Arabischen Emirate angehören.
Von der Interventionsdrohung des ägyptischen Präsidenten zeigt sich Ankara unbeeindruckt. Al-Sisis Aussagen hätten „keine Grundlage“, sagte ein hoher türkischer Beamter, der anonym bleiben wollte, am Montag gegenüber Reuters. Die Türkei werde sich nicht davon abhalten lassen, Tripolis zu unterstützen.
„Sisi hat weder die Macht noch den Mut, dies zu versuchen“, sagte auch der stellvertretende Vorsitzende der Regierungspartei AKP, Yasin Aktay. Er fügte hinzu, dass sich Algerien einer direkten Intervention Ägyptens widersetzen würde, und wies darauf hin, dass die Türkei NATO-Mitglied ist.
Libyen, einst das wohlhabendste Land Afrikas, wurde im Jahr 2011 in Chaos und Bürgerkrieg gestürzt, nachdem die NATO eine Rebellion gegen die Regierung von Oberst Muammar al-Gaddafi militärisch unterstützt hatte. Seitdem kämpfen verschiedene Milizen um Macht und Einfluss in dem ölreichen Land.
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Türkei führt die EU vor – Ratlosigkeit bei Regierungssprechern
Die von der EU beschlossene Marinemission Irini, an der sich auch Deutschland beteiligt, sollte im östlichen Mittelmeer das UN-Waffenembargo gegen Libyen durchsetzen. Ein Vorfall der vergangenen Woche zeigt aber, dass sich die Türkei von der EU nichts vorschreiben lässt. RT fragte auf der BPK nach.
Eigentlich wurde bei der Berliner Libyenkonferenz Anfang des Jahres vereinbart, dass die Grundlagen für eine Waffenruhe in dem von der NATO und Bürgerkrieg zerstörten Landes in Nordafrika geschaffen werden sollen. Dazu gehörte auch die Umsetzung eines UN-Waffenembargos, das bereits seit Februar 2011 in Kraft ist und bisher von kaum jemandem befolgt wurde.
Es stellte sich im Nachgang zur Berliner Vereinbarung umgehend die Frage, wie das Waffenembargo durchgesetzt werden soll, nachdem es neun Jahre lang ignoriert worden war. Die EU entschied sich schließlich, erneut (nach Einstellung von Operation Sophia Ende März) eine Marinemission durchzuführen, deren Priorität bei der Durchsetzung des Waffenembargos liegt. Man gab ihr den Namen Irini, griechisch für „Frieden“.
Am vergangenen Mittwoch kam es zu einem ersten Testfall, bei dem die Durchschlagskraft der Operation Irini getestet werden sollte. Und sie scheiterte am Ende kläglich. Ein Frachter, der unter der Flagge Tansanias fuhr und von drei türkischen Fregatten begleitet wurde, sollte von griechischen Soldaten inspiziert werden. Es wurde vermutet, dass „Cirkin“, wie der Frachter heißt, Waffen aus der Türkei nach Libyen transportiert. Ein Hubschrauber war bereits auf dem Anflug, um die Soldaten an Bord zu bringen, aber nach einem kurzen Kontakt zum Kapitän und dem Kommandeur der Fregatte zog der Hubschrauber wieder ab.
Was war passiert?
Der Fregattenkapitän machte gegenüber dem Irini-Kommandostab geltend, dass die „Cirkin“ unter der Kontrolle der türkischen Marine stehe – obwohl der Frachter nicht unter türkischer Flagge fuhr – und deshalb „souveräne Immunität“ genieße.
Denn der EU-Mission liegt die Resolution 2292 des UN-Sicherheitsrates zugrunde, die explizit festhält, dass die Durchführung nicht bei Schiffen möglich ist, die „souveräne Immunität“ nach Völkerrecht genießen. In der Regel sind damit Kriegsschiffe oder andere klar erkennbare Schiffe gemeint, die im staatlichen Auftrag unterwegs sind. Allerdings ist die Definition offensichtlich nicht eindeutig, so dass die USA in ihrem Handbuch für die Navy festschreiben, dass die „souveräne Immunität“ auch für jene Schiffe gelte, die „unter exklusiver Kontrolle der Streitkräfte“ stehen. Genau das hat der türkische Fregattenkapitän geltend gemacht und die EU-Mission Irini im Handstreich zum zahnlosen Papiertiger deklassiert.
Aus diesem Grund wollte RT Deutsch auf der Bundespressekonferenz (BPK) am Montag von den Regierungssprechern wissen, wie das Waffenembargo durchgesetzt werden soll, wenn sich Staaten auf die „souveräne Immunität“ von Schiffen berufen können, die weder Teil der Streitkräfte sind, noch unter der eigenen Hoheitsflagge fahren. Die etwas hilflos wirkende Antwort spricht Bände über die Zukunft der Operation Irini.“
https://www.jag.navy.mil/documents/NWP_1-14M_Commanders_Handbook.pdf