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„ZEIT ONLINE
Union: Die Maskenaffäre ist nicht das einzige Problem
Ferdinand Otto vor 1 Std.
Impfversagen, schleppende Wirtschaftshilfen und nun die Maskenaffäre. Die Union geht schwer belastet ins Superwahljahr – aber am Ende könnte es darauf nicht ankommen.
Die Masken-Affäre trifft die CDU schwer zum Auftakt ins Wahljahr.© [M] ZEIT ONLINE; Fotos: Klaus-Dietmar Gabbert/dpa, Lionel Bonaventure/AFP/Getty Images Die Masken-Affäre trifft die CDU schwer zum Auftakt ins Wahljahr.
Die Probleme der Union verwachsen inzwischen zu einem derart komplizierten Gebilde, dass man gar nicht mehr so genau weiß, wo das eine Problem anfängt und das nächste aufhört. Deshalb sollten wir vielleicht am besten dort beginnen, wo ein Ende zu fassen ist. Nach wochenlangem Gewürge ist Georg Nüßlein aus der CSU ausgetreten, nachdem er scheibchenweise erst den Fraktionsvorstand, dann die Fraktion verlassen hatte. Er soll ordentlich mitverdient haben, als der Bund Masken einkaufte. Gegen ihn ermitteln Münchner Staatsanwälte. Und Nikolas Löbel (CDU), der ebenfalls ein Honorar als Vermittler kassierte, legt sein Bundestagsmandat nun doch sofort nieder und nicht erst mit Ende der Legislaturperiode, wie er es eigentlich vorhatte. Das hätte Löbel noch mal Monate an Diäten und Privilegien beschert.
Justiziabel oder nicht: Mitten in der Corona-Krise, während Menschen um ihre Existenzen fürchten, sollen zwei Unionsabgeordnete in bester Amigo-Manier ihren exponierten Zugang zur Macht versilbert haben. Ein verheerender Eindruck für die selbsternannten Rechtsstaatsparteien, der auch dadurch kaum geschmälert wird, dass sich die Partei- und Fraktionsspitzen deutlich von den beiden distanzierten.
Kommen wir zurück zum Problemgebilde der Union, das neben der Maskenaffäre noch andere Abzweigungen hat. Beim Thema anrüchige Geschäftemacherei wären da ja noch Philipp Amthor, der für ein Unternehmen lobbyierte, an dem er Aktienoptionen besaß, und der jetzt wieder auf Platz eins in Mecklenburg-Vorpommern für den Bundestag antritt. Sowie der CDU-Mann Axel Fischer, gegen den die Staatsanwaltschaft ermittelt, weil er sich womöglich aus Aserbaidschan hat schmieren lassen. Aber das sind Probleme, die derzeit nur am Rande diskutiert werden.
Holpriger Auftakt ins Wahljahr
Viel entscheidender ist für die CDU: Der Maskenskandal platzt direkt in den Auftakt zu diesem so entscheidenden Wahljahr. Am Sonntag werden in Rheinland-Pfalz und in Löbels Heimat Baden-Württemberg neue Landtage gewählt. Im Südwesten liegt die CDU inzwischen so weit hinter dem grünen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann, dass sie im besten Fall hoffen darf, dessen Juniorpartner zu bleiben. Sicher sind Löbel und Nüßlein dafür nicht die Ursache – aber eben doch ein Faktor.
Vor allem weil die Wahlen weit über die jeweiligen Landesgrenzen hinaus weisen. Noch ist nicht klar, wer die Union in die Bundestagswahl führen soll. Armin Laschet müsste als CDU-Chef wohl wollen. Er hat aber mit sinkenden Umfragewerten zu kämpfen, zuletzt fiel die Union wieder in Richtung 30-Prozent-Marke. Zwei verlorene Landtagswahlen zum Auftakt würden seine Position weiter schwächen. Die Auswirkung solcher Wahlen auf den Bund ist eine dieser konstruierten Gesetzmäßigkeiten, die eigentlich keine sind, aber Bedeutung bekommen, weil eine kritische Masse im politischen Berlin daran glaubt: Annegret Kramp-Karrenbauer etwa stoppte vor vier Jahren mit ihrem überraschend klaren Wahlsieg im Saarland den Schulz-Zug des damaligen SPD-Spitzenkandidaten. Und als die Volker-Bouffier-CDU in Hessen im Jahr 2018 einbrach, gab Angela Merkel den CDU-Vorsitz ab.
Darüber hinaus führt die Maskenaffäre mitten ins Zentrum der deutschen Corona-Krisenpolitik. Noch ist unklar, wie weit Jens Spahn persönlich in den Fall Nüßlein verstrickt ist. Der Bundesgesundheitsminister wiederum ist nur der derzeit prominenteste Ausfall der CDU. Nahezu alle relevanten Schaltstellen in der Corona-Krise sind mit Christdemokraten besetzt. Vor einem Jahr zahlte das ordentlich auf die Umfragewerte ein. Inzwischen macht das die Union zum politischen Hochrisikopatienten. Die Digitalisierung verläuft schleppend, für die Schulen fehlen Konzepte und Luftfilter, die Wirtschaftshilfen stocken und bei den kostenlosen Tests musste der Gesundheitsminister seine eigenen Versprechen wieder kassieren. Im Konrad-Adenauer-Haus ist man alarmiert.
Die Bundestagswahl jedoch wird an der Nadel entschieden. Bis zum Wahltag im September zählt für die Union vor allem, wie es mit dem Impfen in Deutschland vorangeht. Das sind allerdings Sorgen, die Angela Merkel nicht zu plagen scheinen. Ihre Kanzlerschaft endet so oder so. Was vielleicht ihre ostentative Wurschtigkeit erklärt („im Großen und Ganzen nichts schief gelaufen“), während in Deutschland noch immer Senioren auf ihren Impftermin warten.
Das Argument der Kanzlerin: Wenn jedes Land selbst bestellt, werden die Schwachen abgehängt. Deshalb solle die EU die Impfstoffbeschaffung übernehmen. Langsamkeit als Preis für Einigkeit. Dumm nur, dass selbst in Europa nicht alle gewillt sind, diesen Preis zu zahlen und die ersten Länder bereits Impfstoff in Russland einkaufen. Für ein System, das wie die EU von ihrer Output-Legitimität lebt, ein Desaster. Hinzu kommt die Langsamkeit der deutschen Bürokratie. Obwohl allmählich größere Impfstoffmengen auch in Deutschland bereitstehen, kommt man mit der Verimpfung nicht hinterher.
Selbst wenn die Kanzlerin nicht mehr antritt, bleibt eben ihre Partei als demokratischer Frust-Ableiter auf dem Wahlzettel stehen. Die Maskenaffäre ist nur das Kontrastmittel, das den Rest der Probleme erst sichtbar werden lässt.“
https://www.msn.com/de-de/nachrichten/politik/union-die-maskenaff%C3%A4re-ist-nicht-das-einzige-problem/ar-BB1eplrs?ocid=msedgntp